Fachbereich

Religionen Kulturen und Ethik

Lehrplan

1. Stundentafel

Schuljahr789101112
RKE 2/2          

 

2. Bildungsziele und Richtziele

Das Ziel des vorliegenden Lehrplans liegt auf dem Begegnungslernen in Bezug auf interkulturelle bzw. interreligiöse Kontexte und ethische Auseinandersetzungen. Hierfür bedarf es einer besonderen Förderung weltanschauungs- und religionsbezogener sowie ethischer Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, die im unmittelbaren Kontakt mit anderen Menschen, sei es in ausserschulischen Begegnungen oder in Begegnungen im Schulzimmer erfolgt.

Interkulturelle Sprach- und Kommunikationsfähigkeit beinhaltet auf der einen Seite ein vertieftes Verständnis der eigenen Kulturverhaftung und Enkulturation, d.h. der Entstehung des eigenen, kulturgeprägten Wahrnehmungs-, Denk- und Wertesystems. Auf der anderen Seite geht es um den Aufbau von Akzeptanz für andere Kulturen, was aber auch das Erkennen von Akzeptanzgrenzen sowie das Aushandeln von Akzeptanzspielräumen einschliesst (Ambiguitätstoleranz). Ziel ist ein differenzverträgliches Verständnis von Fremdheit bzw. Fremdheitsdynamiken und ein bewusster und kritischer Umgang mit Stereotypen.

RKE-Unterricht zielt auf die Entwicklung von Kommunikations-, Urteils- und Handlungskompetenzen zur praktischen Anwendung in den oben skizzierten Begegnungssituationen. In der vertieften Auseinandersetzung mit verschiedenen Kulturen durch Begegnung werden weltanschaulich und ethisch unterschiedliche Positionen zur Sprache gebracht und diskutiert. Die anschliessende Reflexion dieser Begegnungen soll ein nachhaltiges Lernen bewirken.

2.1 Kategorisierung der Fachinhalte

Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich fünf Kategorien von Fachinhalten unterscheiden:

  • «Was ist Religion?» – Im Sinne einer Annäherung an den zentralen Gegenstand des Themenbereichs Religionen, Kulturen erfolgt hier eine Auseinandersetzung mit zentralen religionskundlichen Begriffen und Arbeitsweisen. 
  • «Interkulturelle und interreligiöse Begegnung» – Zur Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von realen oder virtuellen Begegnungen werden eigene sowie fremde Lebens-, Handlungs- und Denkweisen, aber auch kulturell geprägte Orte und Zeiten in den Blick genommen.
  • «Religion in der Gegenwart» – Religion und Religionen werden in RKE religionssoziologisch in den Blick genommen im Hinblick auf ihren Stellenwert in der Gesellschaft.
  • «Religion sowie Kultur- und religionsbezogene ethische Fragen und Argumente in einer pluralen Gesellschaft» – Dieses Themenfeld ist der Kulminationspunkt, auf den der Themenbereich Religionen, Kulturen im vorliegendem Musterlehrplan im Sinne einer Leitperspektive hinzielt. Die Lernbereiche aus diesem Themenfeld sollen möglichst von Anfang an ergänzend bzw. überschneidend ins Spiel gebracht werden.
  • «Ethik» - Hier werden existenzielle Grunderfahrungen, angewandte Ethik sowie Ethik im Spannungsfeld von Kultur und Gesellschaft besprochen. Eine tiefreichende, differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, dem Nachgehen von ethischen Fragen sowie das Nachdenken über die vielfältigen, Zusammenhänge von Gesellschaft, Kultur und Politik werden durchgenommen.

 

3. Grobziele

1. Was ist Religion?

 

Die Schülerinnen und Schüler können ...

Transzendenz und Immanenz          

  • verschiedene Positionen zur «Gottesfrage» erläutern und über Weltbild, Sinnstiftung und Lebensbewältigung philosophieren (z.B. Agnostizismus, Atheismus, Theismus, Monotheismus, Polytheismus; Theodizee, Zufall, Schicksal, Karma, Bestimmung).
  • unterschiedliche Bedeutungen von Spiritualität, Transzendenz und Immanenz im Lebensvollzug verschiedener Menschen wahrnehmen und beschreiben.

Funktionen von Religion

  • verschiedene Funktionen von Religion (z.B. Kontingenzbewältigung, Sinnstiftung, Welterklärung) unterscheiden und erläutern.

Religiöse Sprachformen

  • erläutern, wie Irrationales in rationale Sprache gefasst werden kann (z.B. Mythos, Dichtung, Psalmen, Normen).
  • exemplarische religiöse Texte mit ihrer kulturellen Herkunft erschliessen (z.B. Tora, Bibel, Koran, Hadith, Bhagavadgita, Sutra).
  • religionsbezogene Ausdrucksformen (z.B. Rituale, Feiern, Symbole, Gebete, Rezitationen, Mantras, Segensformeln) unterscheiden und erläutern.
  • auf religionsbezogene Erfahrungen adäquat reagieren.

Religiöse Symbole und Identifikationsfiguren

  • religiöse Symbolik beschreiben.
  • die Darstellung und Verehrung zentraler Identifikationsfiguren aus den Religionen und ihre jeweilige Bedeutung anhand von deren Leben und Lehren erläutern (z.B. Abraham, Mose, Buddha, Jesus, Maria, Mohammed).

 

2. Interkulturelle und interreligiöse Begegnung

Die Schülerinnen und Schüler können ...

Rituale

  • Handlungen als Rituale identifizieren, beschreiben und deren Funktion erläutern.
  • Übergangsrituale des Erwachsenwerdens (z.B. Bar Mitzwa, Firmung, Konfirmation, Pubertätsfeste, Hochzeit, Bestattungsrituale) in verschiedenen Religionen und Kulturen beschreiben und ihre Funktion für die Teilnehmenden erschliessen.

Weltbilder

  • verschiedene Weltbilder vergleichen und deren Bedeutung und Geltung für eine jeweilige Religionsgemeinschaft erläutern.

Geschlechterverhältnisse

  • Geschlechterverhältnisse in verschiedenen Religionsgemeinschaften kritisch reflektieren und dazu Stellung nehmen.

 

3. Religion in der Gegenwart (Stellenwert in der modernen westlichen Gesellschaft)

Die Schülerinnen und Schüler können …

Religionslandschaft Schweiz

  • zentrale religionssoziologische Begriffe (z.B. Säkularisierung, Individualisierung, Pluralisierung) erläutern und die damit verbundenen Entwicklungen beschreiben.
  • Religionen und kulturelle Minderheiten mit ihren Anliegen objektiv und verständnisvoll darstellen und verschiedene Auffassungen aufzeigen (z.B. Lehren, Interpretation/Auslegung, religiöse Praxis).
  • eine religionsbezogene Einrichtung (z.B. gemeinnützige Einrichtung, Flughafen- und Bahnhofkirche, Friedhöfe, Klöster) erkunden und sich mit ihrer Bedeutung in der gegenwärtigen Schweizer Gesellschaft auseinandersetzen.

Dogmatische Ansprüche und gelebte Praxis

  • zwischen religiösen Lehren und religionsbezogener Praxis differenzieren.

Religionsbezogene Begegnungssituationen

  • sichtbare und gelebte Formen von Religion sowie verschiedene Religionsgemeinschaften in der lokalen Umgebung (z.B. Kirche, Moschee, Synagoge, Hindu-Tempel) erkunden.
  • Funktion und Gebrauch religiöser Bauten beschreiben.
  • religiösen Menschen respektvoll begegnen und mit ihnen angemessen kommunizieren.

Öffentliche und private Religiosität

  • Spuren von religiösen Motiven im Alltag erkennen und nach ihrer Bedeutung fragen und im Kontext ihrer Verwendung deuten (z.B. Musik, Film, Literatur, Bauten, Werbeplakate, Kleidung, Accessoires, Musik, abstrakte, figürliche, konkrete Kunst).

 

 4. Religion in einer pluralen Gesellschaft

Die Schülerinnen und Schüler können …

Kultur- und religionsbezogene ethische Fragen und Argumente

  • ausgewählte Gebote und Regeln verschiedener Kulturen/Religionen erläutern und entsprechende Auslegungen, Bräuche und Verhaltensweisen im Alltag erkennen (z.B. Ernährung, Kleidung, Ruhe - und Fastenzeiten).

Innen- und Aussenperspektiven

  • Selbst- und Fremdbeschreibung unterscheiden.

Fundamentalistische und extreme Gruppierungen

  • Die Problematik von fundamentalistischen und extremen Gruppierungen erkennen diskutieren (z.B. Fundamentalismus, «Sekten»).
  • Anlaufstellen für damit verbundene Problemfelder benennen und vorstellen (Beratung, Therapie, Selbsthilfe).

 

5. Ethik

Die Schülerinnen und Schüler können …

Existentielle Grunderfahrung: «Wer bin ich?»

  • grundlegende philosophische Begriffe erläutern und diese anhand von Beispielen verwenden (z.B. Spannungsfeld Ethik, Moral, Dilemma).
  • Sich mit Fragen zum Ich und zur Identität auseinandersetzen (Selbstkonzepte; z.B. Familie, Herkunft).
  • Über sich selbst in den Spannungsfeldern des Heranwachsens nachdenken.

Angewandte Ethik

  • Konzepte in Zusammenhang mit Fragen nach dem guten Leben (z.B. Glück, Lust, Liebe, Freundschaft, Erfolg, Status, Gesundheit) untersuchen und beurteilen.
  • unseren Umgang mit Tieren beschreiben und mit Blick auf Konzepte wie Person, Geist, Spezies anhand ethischer Fragestellungen beurteilen (z.B. Tierversuche oder vegetarischer/veganer Ernährung).

Ethik, Kultur & Gesellschaft

  • sich kritisch mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen, Diskursen und Schlagwörtern auseinandersetzen und verschiedene Positionen bzw. Perspektiven und deren Argumentationen kennenlernen (z.B. Gleichstellung und Diskriminierung, Chancengerechtigkeit, Feminismus, Hate Speech, Kleidungsvorschriften).

 

4. Interdisziplinäre Referenzen zu anderen Fächern

Die Schülerinnen und Schüler können …

  • verschieden Formen der Sprache und Kommunikation unterscheiden (Sprachen).
  • die gegenwärtige religiöse Landschaft der Schweiz beschreiben (Gg) und verstehen (G).
  • religiöse Motive identifizieren (G, Sprachen).
  • sich mit verschiedenen Welt- und Selbstdeutungen sowie existenziellen Grunderfahrungen auseinandersetzen (Sprachen, PPP).
  • Werte und Normen identifizieren (PPP)
  • einfache Kriterien ethischer Urteilsbildung anwenden (PPP).
  • die Rolle von Interessensvertretern in Bezug auf religionsbezogene und ethische Fragen erläutern (G – Politische Bildung).
  • im Rahmen der angewandten Ethik Brücken zu naturwissenschaftlichem Wissen schlagen, um philosophisch-ethische Fragen angemessen zu diskutieren (Nwl)